Das »Recht« seinem Ideal nach eine sinnvoll aufgebaute Summe von Geboten und Verboten kann
als identisch mit den Entscheidungen der Gerichte als der berufenen Interpreten und
Vollstrecker seiner Normen gedacht werden. Nach dieser auf der staatlichen Autorität
aufbauenden Auffassung sind »Recht« und »Gericht« deckungsgleich: Erst das Gericht sagt was in
einem gegebenen Fall das »Recht« ist. Das rechtskräftige Urteil schafft je nachdem ob es ein
Recht zu- oder aberkennt mindestens eine Bestärkung wenn nicht gar eine neue Schöpfung der
Rechtslage. Denn das zuerkannte Recht das vor dem Urteil bestritten war gewinnt nunmehr
Sicherheit und Durchsetzungskraft war es nicht existent so tritt es jetzt in Erscheinung. Die
abweichende für eine doppelte Rechtsordnung eintretende Auffassung kann sich zu einer
derartigen Ineinssetzung nicht durchringen. Sie leugnet zwar nicht daß die Gerichte im
Streitfall über die Auslegung der Normen und die Durchsetzung von Rechten ein gewichtiges Wort
sprechen zumal da Urteile die eine Leistung zuerkennen vollstreckbar sind. Aber sie sieht in
den Gerichten nur eine Instanz unter den staatlichen und gesellschaftlichen »das Recht«
bildenden Kräften: Die Parteien eines Rechtsverhältnisses beispielsweise Vermieter und Mieter
Arbeitgeber und Arbeitnehmer Leasinggeber und Leasingnehmer leben nach einer eigenen nicht
selten von den anerkannten Autoritäten abweichenden Ordnung. Rechte und Pflichten werden nach
dieser Beobachtung in gegenseitiger Fühlungnahme («Interaktion«) begründet und befolgt. Selbst
im Streitfall versuchen die Kontrahenten nicht selten den Gang zum Gericht zu vermeiden weil
sie nicht wie sie es ausdrücken in die »Fänge« der Rechtsanwälte und die »Mühlen« der Justiz
geraten wollen. In dieser eher skeptischen Sicht ist das »Recht« im konkreten Sinne der
Beziehung zwischen den Parteien weniger eine der Gerechtigkeit verpflichtete Ordnung von
Geboten und Verboten als vielmehr Ausdruck von Spielregeln ge