Die Abhandlung liefert einen Beitrag zu der erstmals von Roxin begründeten Pflichtdeliktslehre.
Zunächst wird geprüft ob sämtliche Unterlassungsstraftaten Pflichtdelikte sind was jedoch
verneint wird: Die Bestrafung einiger Unterlassungen bedarf keines besonderen Grundes liegt
also keinem Pflichtdelikt zugrunde weil sie der negativen ursprünglichen Verbindlichkeit des
Bürgers (entgegen Feuerbach) entspringt. Dabei wurde das Ergebnis anhand rechtsphilosophischer
Überlegungen untermauert. Insbesondere Hegel und Fries haben nämlich erkannt daß
Jedermanns-Handlungspflichten auch auf dem Prinzip des neminem laede basieren können. Diese und
andere Philosophen (etwa auch Schopenhauer) haben darüber hinaus aber einige positive
besondere Pflichten anerkannt die eine ganz andere Struktur als die negativen Pflichten
aufweisen. Anhand dieser Erkenntnisse legt Javier Sánchez-Vera die geistesgeschichtlichen
Wurzeln der Herrschafts- und Pflichtdelikte dar. Weiterhin wird der Vorwurf zurückgewiesen daß
die Handlungspflichten der Pflichtdelikte eine unzulässige Moralisierung des Rechts darstellen
weil sie die Freiheit des Einzelnen mehr als die Unterlassungspflichten der Herrschaftsdelikte
beschränken. Auch die monistischen Modelle die allein auf die Herrschaft abstellen (Gallas
Schünemann Freund) sowie die vermittelnden Auffassungen (insbesondere Bloy) werden überprüft
und abgelehnt. Schließlich untersucht der Autor die möglichen Beteiligungsformen im Bereich der
Pflichtdelikte daraufhin ob also Polizisten Eltern etc. immer als Täter haften oder aber
auch Mittäter mittelbare Täter und Gehilfen oder Anstifter sein können. Auch die Frage der
Beteiligung am Pflichtdelikt wird eingehend erörtert vor allem die Anwendung des § 28 StGB.
Bisher ist der Lehre eine befriedigende Lösung zur Interpretation dieser Vorschrift nicht
gelungen. Die im Laufe der Abhandlung gewonnenen Erkenntnisse zeigen sich bei der Untersuchung
dieses Problems als sehr hilfreich so daß im Lichte der Lehre vom Pflichtdelikt ein neuer
Lösungsvorschlag unterbreitet werden kann.