Obwohl die Hallstein-Doktrin lange Jahre ein erbitterter außenpolitischer Zankapfel der beiden
deutschen Staaten war wurde sie in der Literatur bisher kaum behandelt. Der Autor der selbst
als Botschafter im Bonner Auswärtigen Dienst tätig war schildert hier erstmals anhand der
Akten beider Außenministerien die Entstehungsgeschichte der Doktrin vor allem jene Bonner
Botschafterkonferenz auf der Ende 1955 die Konsequenzen aus Adenauers Moskaureise gezogen
wurden. Der Kanzler hatte dem Nebeneinander von zwei deutschen Botschaften in Moskau
zugestimmt. Dies war in Einklang zu bringen mit der These vom Alleinvertretungsrecht der
Bundesrepublik. Zunächst wollte Bonn nur die diplomatische Anerkennung der DDR verhindern.
Daraus wurde später ein weltweiter Kampf gegen jede Art der Aufwertung der DDR. Ein enormes
Aufgebot an menschlichen Energien und finanziellen Mitteln wurde darauf verwandt sich
gegenseitig die Legitimation als Vertreter des besseren Deutschland streitig zu machen.
Hauptsächlich ging es dabei um die DDR-Fahne in den Messehallen und Sportstadien der Dritten
Welt um die Olympiamannschaften und internationalen Kongresse. Lebendig und anhand vieler
Beispiele aus den Akten beider Seiten beschreibt Kilian wie sich die deutschen
Auslandsvertretungen im alltäglichen Grabenkrieg mit den Auswüchsen der Hallstein-Doktrin
herumplagten und welche bizarren Situationen dabei entstanden. Neben der Geschichte der
Hallstein-Doktrin wird auch die Entwicklung der allgemeinen Ost West-Politik in jenen Jahren
beschrieben bis hin zum gemeinsamen Einzug der Außenminister Scheel und Winzer in die UNO im
September 1973. Die Doktrin hatte im Schatten der globalen Entspannungspolitik ihren Sinn
verloren und stieß bei den westlichen Alliierten Bonns schon längst auf zunehmendes
Unverständnis. Der Autor stellt zum Schluß die Frage welche Nachwirkungen die Deklassierung
der DDR und ihrer Bewohner durch die 18 Jahre währende Hallstein-Ära auf das heutige Verhältnis
der alten und neuen Länder im vereinten Deutschland hat. Werner Kilian geb. 1932 in Mainz
Jurastudium in Bonn und Berlin Völkerrechts- und Politikstudien in Genf. Assessor.
Dissertation im internationalen Seerecht. 1961-1997 im Bonner Auswärtigen Dienst mit
Auslandsstationen in Paris London Kabul Bukarest Harare zuletzt Leiter der
Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts im Treptower Park für Jungdiplomaten aus den Staaten des
ehemaligen Ostblocks.