Der Tatbestand der Rechtsbeugung hat in der jüngsten deutschen (Rechts-)Geschichte jeweils nach
einem radikalen politischen Wandel Beachtung gefunden: nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur
sowie am Ende der DDR. Dirk Quasten vergleicht die höchstrichterliche Handhabung des
Rechtsbeugungsstraftatbestandes an diesen beiden Zäsuren. Die Analyse der BGH-Entscheidungen
zeigt dass die Einhaltung des Rechts dort endet wo die Richter praktisch über sich selbst zu
Gericht sitzen. Mit der klaren Absicht die Strafbarkeit von gesetzeswidrigen Urteilen während
der Zeit des Nationalsozialismus zu verhindern sind z. B. die Vorsatzanforderungen auf ein Maß
angehoben worden welches die Strafvorschrift de facto ins Leere laufen ließ. Die justizielle
Aufarbeitung der NS-Zeit muss als gescheitert gelten. Nach der Wiedervereinigung hat der BGH
anknüpfend an die eigene Nachkriegsjudikatur die sehr restriktive Auslegung des
Rechtsbeugungstatbestandes fortgesetzt. Gleichwohl hat die erneute Bewährungsprobe für den BGH
nicht zu einer vollständigen Ausklammerung der Rechtsbeugungsstrafbarkeit geführt sondern
einzelne Verurteilungen insbesondere bei offensichtlicher Willkür ermöglicht. Obwohl von der
Rechtsprechung grundsätzlich die Grenzen bei der Strafverfolgung des DDR-Unrechts eng gezogen
wurden erscheint es besonders unbefriedigend dass diese Grenzen bei der Verfolgung der
Rechtsbeugung die engsten waren. Die These des Richters in eigener Sache bestätigt sich daher
erneut.