Philosophische Ansichten der im privaten Vertragsrecht wirksamen Gerechtigkeit allen voran die
aristotelisch-thomistische Lehre der iustitia correctiva oder commutativa werden gewöhnlich
ohne Rücksicht auf ihren rechtshistorischen Kontext zuweilen gar mit Bezug auf die moderne
Vertragsrechtsordnung behandelt. Ein solches Verfahren ist selbstverständlich zulässig birgt
aber die Gefahr daß das Anliegen des Philosophen verkannt seine Lehre für eine Auffassung in
Anspruch genommen wird die sich aus ihr gar nicht ergeben soll. Vorausgesetzt ist dabei meist
was dem modernen Betrachter selbstverständlich erscheint nämlich daß die Verabredung über
einen Leistungsaustausch sei es allein sei es in Verbindung mit einer vorrangigen Rechtsmasse
geeignet ist eine neue rechtliche Ordnung für die beteiligten Individuen hervorzubringen. Die
auf dieser Grundlage angestellten Überlegungen verfehlen die Lehre der Philosophen wenn sie
selbst gar nicht von der rechtsschöpfenden Wirkung eines Vertrags ausgehen. Dies ist keineswegs
selten: Daß der Vertrag ein rechtliches Ordnungsschema für die Vertragspartner hervorbringen
kann ist als rechtswissenschaftliche Erkenntnis zwar alt hat sich gerade in philosophischen
Ansichten des Privatrechts aber erst spät und keineswegs nachhaltig durchgesetzt. Das
Gegenmodell das für den modernen Juristen undenkbar ist besteht in der Konstruktion des
Leistungsaustauschs durch Vermögenszuordnung. Sie zeitigt keine Leistungspflicht als
eigenständiges Rechtsphänomen mit frei bestimmbarem Inhalt sondern knüpft an den Schutz schon
vorhandenen Vermögens an indem sie die Zugehörigkeit zur Person des Erwerbers festlegt.
Konsequenz dieses Modells ist die Forderung daß die Parteien eines Vertrags vorher wie nachher
und nicht lediglich formal sondern auch rechnerisch gleich viel haben. Nicht nur sie sondern
auch das zugrundeliegende archaische Vertragsmodell sind in der Philosophie bis ins 19.
Jahrhundert am Werke. Über seine Gestalt entscheidet die Rezeption der zeitgenössischen
Rechtswissenschaft.