Gotteslästerung - bislang in europäischen Augen ein atavistischer Tatbestand aus versunkenen
finsteren Zeiten - erlangt jäh schockierende Aktualität seit sich in der islamischen Welt
Massenprotest wider die Beleidigung ihrer religiösen Gefühle durch westliche Medien erhebt und
heiliger Eifer in Zorn Haß und Gewalt entlädt. Die Empfindlichkeit der Muslime die zu Recht
oder Unrecht ihren Glauben geschmäht sehen kontrastiert der Gleichgültigkeit westlicher
Gesellschaften gegenüber der Schmähung des Christentums. Seit der Aufklärung gilt es in
liberalen Kreisen als Ausweis von Witz und Intellektualität sich über Christentum und Kirche
zu mokieren. Ecrasez l'infâme tönt als Parole der Toleranz. Christophobie präsentiert sich
heute als politisch korrekt. Der säkulare Staat tut sich schwer mit rechtsstaatlichen Mitteln
religiöse Gefühle zu schützen. Die noch immer geltende Strafdrohung für Religionsbeschimpfung
greift praktisch ins Leere. Zwar hat auch die moderne Gesellschaft ihre Tabus. Doch der Schutz
religiöser Gefühle gehört nicht dazu. Taugen denn auch bloße Gefühle des einen zum Maß der
Freiheit des anderen? Unter den Bedingungen grundrechtlicher Freiheit muß jedermann ein
bestimmtes Quantum an lästigem zwischenmenschlichen Verhalten ertragen an Unmoral und
Geschmacklosigkeit soweit sie nicht in Verletzung von Rechtsgütern umschlagen. Als
schutzwürdiges Rechtsgut gilt der innere Friede der Gesellschaft. Folgt daraus daß wer die
Macht hat die Straße zu mobilisieren und die Öffentlichkeit einzuschüchtern die Freiheit
aller beschränken darf? Der freiheitliche Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten wenn
er das Heilige schützen soll. Eben deshalb ist es angebracht diesen Grenzen nachzugehen. Im
europäischen Verfassungsstaat verlaufen sie anders als in der Rechtswelt des Islam. Der
Zündstoff der sich wegen dieses Unterschiedes anhäuft zwingt dazu das Verhältnis des
Verfassungsstaates zum Phänomen der Blasphemie neu zu überdenken. Diese Rückbesinnung führt zu
den Fundamenten auf denen die Kultur des Westens in ihr sein Rechtssystem baut. Das komplexe
Thema wird aus verschiedenen fachlichen Perspektiven betrachtet denen der Theologie und der
Geschichte der Staats- und Verfassungstheorie des Verfassungsrechts sowie des Strafrechts.
Aus dem Vorwort des Herausgebers