Erst kurz vor der Jahrhundertwende entstand das Bedürfnis nach umfassenderen Kenntnissen der
kolonisierten Territorien mit muslimischen Bewohnern. Die wissenschaftliche Orientbetrachtung
erfuhr eine Erweiterung durch eine kulturgeschichtliche Beschäftigung mit den Ländern Asiens
und Nordafrikas die als Islamwissenschaft oder Islamkunde in die Fachgeschichte einging. Als
Pioniere und zugleich als meisterhafte Vertreter dieses Paradigmenwechsels gelten neben C.
Snouck Hurgronje und C. H. Becker Ignaz Goldziher und Martin Hartmann die über zwei
Jahrzehnte eifrig Korrespondenz pflegten.Ludmila Hanisch legt eine kommentierte Auswahl der
Korrespondenz von Ignaz Goldziher und Martin Hartmann vor die die Aufmerksamkeit heutiger
Leser verdient weil die Diskussionen der Briefpartner über fachliche Fragen im engeren Sinn
hinausgingen. Ihre Erörterungen über die Bedeutung der Religion im Zivilisationsprozess haben
trotz der veränderten historischen Situation nicht an Aktualität verloren. Sie spiegeln
Einstellungen aus einer Epoche in der im Vorderen Orient weder eine Kongruenz zwischen
Religionszugehörigkeit und Staatsgrenze existierte noch die Erfahrung mit dem Antisemitismus
des Dritten Reiches vorlag.