Auf der Basis von über 160 Autobiografien erweitert der in dieser Untersuchung herangezogene
und von der Historiografie zu den Deutschen in den Ostseeprovinzen des Russischen Reichs
bislang vernachlässigte Genderansatz die Forschungen indem erstmalig der Fokus auf die Lebens-
und Erfahrungswelten von Frauen der deutschen Oberschicht gelegt wird. Gerade das lange 19.
Jahrhundert bietet im Untersuchungskontext den vor allem politischen und ökonomischsozialen
Rahmen der voller Einbrüche und Veränderungen seine Wirkungsmacht auf die untersuchten
Generationen von Frauen spürbar werden lässt. Neben Modernisierung Technisierung und
Nationalisierungsprozessen lassen sich aus den Autobiografien Reaktionen auf gesellschaftliche
Veränderungen lesen die die Auswirkungen der politischen kulturellen und z.T. ökonomischen
Entmachtung der deutschen Minderheit im Laufe des Untersuchungszeitrahmens auf das
Genderkonstrukt belegen. Beim Aufbau einer Vergleichsebene mit Zeitgenossinnen im Inneren des
Russischen Reichs und in Westeuropa konnte eine erstaunlich deutliche Nähe zu den Lebenswelten
von Frauen des Bürgertums und des Adels in weiten Teilen Deutschlands herausgearbeitet werden.
Regionale Spezifika andererseits konnten aufgrund der sozial-politischen Minderheitenposition
in ein Erklärungsmodell gebettet werden.