Im Jahre 1354 fand an der päpstlichen Kurie in Avignon ein Ketzerprozess statt der in vieler
Hinsicht bemerkenswert ist. Allein schon das Ergebnis entsprach offensichtlich nicht den
Vorstellungen der Kurie die erwartet hatte dass die Angeklagten ihre von der Kurie als
häretisch qualifizierten Vorstellungen widerrufen und die Kurie nicht mehr in Frage stellen
würden bevor sie auf den Scheiterhaufen gebracht wurden.Hintergrund war der Konflikt zwischen
einem radikal-spiritualistischen Zweig des Franziskanerordens und den Päpsten in der Nachfolge
Johannes' XXII. um die kontroverstheologische Frage wie arm Christus und die Apostel
tatsächlich gewesen sind und wie arm man infolgedessen selbst sein müsse wollte man ihren
Spuren folgen. Die Franziskanerspiritualen verfolgten einen sehr radikalen durch den
Franziskanerpapst Nikolaus III. abgesegneten Kurs. Als dessen Nachfolger Johannes XXII. die
Entscheidung seines Vorgängers revidierte eskalierte der Konflikt. Die Spiritualen
verweigerten den Gehorsam und die Kurie griff zur Waffe der Häretisierung was Hunderte von
Franziskanern das Leben kostete. Wir kennen ihre Namen zu einem Gutteil aus den Materialien der
hier erstmals kritisch edierten Prozessmaterie die sich in einem der letzten Verfahren mit
diesem Punkt beschäftigte.