Semiramis die legendäre Königin von Babylon gehörte bis in das 20. Jahrhundert hinein zu den
bekanntesten und am stärksten rezipierten Gestalten der antiken Welt. Als Frau die von Babylon
aus das Großreich der Assyrer regierte und erfolgreiche Eroberungskriege führte wurde sie in
einer Vielzahl antiker Quellentexte teils mit Bewunderung teils mit tiefer Abscheu
beschrieben. Schnell avancierte sie so zum Paradigma - einerseits für das weibliche Geschlecht
andererseits für die Ausübung von Macht aber auch für den antiken 'Orient' im Allgemeinen.
Semiramis findet sich in der Folge in nahezu allen Literatur- und Kunstgattungen der Spätantike
des Mittelalters der Renaissance und der Frühen Neuzeit und erhielt so einen festen Platz im
kulturellen Gedächtnis der westlichen Welt. An ihr wurden über die Epochen hinweg Weiblichkeit
und Herrschaft miteinander verknüpft Transgressionen von weiblichen Handlungsräumen
thematisiert Geschlechterordnungen und Geschlechternormen verhandelt und Handlungsspielräume
für das weibliche Geschlecht reflektiert.Kerstin Droß-Krüpe folgt den Spuren der Semiramis
durch die Jahrhunderte - von der griechischen Historiographie des 5. Jahrhunderts v.Chr. bis
auf die Opernbühnen des Barock. Sie kombiniert so eine historisch-kritische Aufarbeitung des in
den antiken Quellentexten präsentierten Semiramisbildes mit der späteren Wahrnehmung Aneignung
und Verargumentierung der Semiramis als Figur der Erinnerung.