Die Entstehungsgeschichte Deutsch-Westungarns des Burgenlandes ist in vielerlei Hinsicht ein
Sonderfall des postimperialen Übergangs. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs ging die
Österreichisch-Ungarische Monarchie unter. Im Herbst 1918 beanspruchte der Kriegsverlierer
Österreich das westlichste mehrheitlich von deutschsprachiger Bevölkerung bewohnte Grenzgebiet
des anderen großen Kriegsverlierers Ungarn. Die Siegerstaaten hatten diese Grenzverschiebung
zugunsten Österreichs in den Friedensverträgen von Saint-Germain-en-Laye und Trianon
festgelegt. Bis heute existieren zu diesem Gebietstransfer sowohl österreichische als auch
ungarische Narrative die auf reale und vermeintliche Verluste der jeweils eigenen Seite
fokussieren aber wenige Überschneidungen und vor allem keine gemeinsame Lesart anbieten.Ibolya
Murber veranschaulicht in ihrer Studie die Komplexität der mitteleuropäischen territorialen
Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg und beleuchtet mit zahlreichen Fallbeispielen die Ent- und
Verflechtungsdynamiken die die österreichisch-ungarische Grenzziehung begleiteten. Aus
heutiger Sicht lässt sich feststellen dass die Beanspruchung des Territoriums sowohl durch
Österreich als auch durch Ungarn beiderseitig legitim und vom jeweils eigenen Standpunkt her
gesehen vollkommen nachvollziehbar war. Auf der Grundlage von gleichermaßen österreichischen
wie ungarischen Quellen bietet die Studie neue Perspektiven und Ansätze für eine erstmals
gemeinsame Erzählung dieser 100 Jahre zurückliegenden Geschichte.