Die unmittelbare Inanspruchnahme eines Geschäftsleiters durch den Patentinhaber ist spätestens
seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Glasfasern II (Az. X ZR 30 14) zu einem
zentralen Gegenstand des patentrechtlichen Diskurses geworden. Erste Überlegungen zur
Organhaftung im Anwendungsbereich des EPGÜ finden sich in der Anordnung der Lokalkammer München
vom 13. September 2023 (UPC_CFI_390 2023). Demgegenüber hat die Haftung von Leitungsorganen
gegenüber der eigenen Gesellschaft – insbesondere unter dem Aspekt unzureichender
Compliance-Maßnahmen – bislang vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit erfahren. Diese
Forschungslücke überrascht da beiden Haftungskonstellationen dasselbe Ziel zugrunde liegt: die
Verletzung fremder Patente zu verhindern. Ausgangspunkt der Arbeit ist die Hypothese dass
zwischen der patentrechtlichen Außenhaftung und der gesellschaftsrechtlichen Innenhaftung eine
strukturelle Interdependenz besteht die eine integrierte Betrachtung beider Haftungssysteme
erforderlich macht. Vor diesem Hintergrund erfolgen eine dogmatische Analyse und eine
funktional orientierte Gegenüberstellung der beiden Haftungsregime. Die Autorin hat es sich
zur Aufgabe gemacht unternehmensrechtliche Grundsätze die in Rechtsprechung und Literatur
unter dem Begriff Compliance entwickelt wurden auf patentrechtliche Fragestellungen
anzuwenden. Dabei werden insbesondere die Eintrittswahrscheinlichkeit von Patentverletzungen
die Unsicherheiten hinsichtlich des Rechtsbestands die potenzielle Schadenshöhe im Risikofall
sowie die Entdeckungs- und Verfolgungswahrscheinlichkeit berücksichtigt. Abgerundet wird die
Analyse durch die Einbeziehung rechtsökonomischer und verhaltenspsychologischer Perspektiven.
Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen dass nur die spezifische Betrachtung einer
patentrechtlichen Compliance den normativen und strukturellen Besonderheiten dieses
Rechtsgebiets hinreichend Rechnung tragen kann.