Am Schicksal des Fremdenführers Ulrich Martens der in seinem Stadtrundfahrt-Bus die ganze Welt
zu Gast hat stellt Siegfried Lenz die Folgen eines Verlustes dar der jeden von uns eines
Tages treffen könnte: der Verlust der Sprache. Es geht ihm darum aufzuzeigen welch
entscheidende Wirkung eine plötzliche wehrlose Stummheit haben kann: Das vertraute auf das
Reden gegründete Verhältnis zur Welt zerbricht die Beziehung selbst zu den nächsten Freunden
wird auf eine unerwartete Probe gestellt. Der Autor erkundet einen Zustand der Sprachlosigkeit.
Und dabei zeigt sich daß mit dem Verlust der Sprache auch die Welt - die mit Wörtern erfaßbare
Umwelt -verlorengeht. Die Beschreibung der mannigfachen Probleme die sich bei der
Wiedereroberung von Wörtern und Begriffen von Erinnerungen und Zusammenhängen einstellen
demonstriert zugleich den Versuch einer neuen Selbstbegründung. "Der Verlust" ist ein Roman
den man nicht gelassen nicht aus sicherer Distanz lesen kann. Es ist vielmehr ein Buch das in
der Eindringlichkeit seiner Diktion den Leser unmittelbar betrifft und betroffen macht - ein
Buch das ihn angeht und zur Stellungnahme aufruft. Die Betroffenheit die es in ihm auslöst
hat zugleich die Funktion eines Spiegels: Bei dem Versuch sich mit den handelnden Personen zu
identifizieren ihrem Verhalten mit Billigung oder Ablehnung zu folgen erkennt der Leser sich
selbst. "Es ist müßig" so urteilt die Westfälische Rundschau "sich darüber den Kopf zu
zerbrechen ob Lenz Erfahrungen oder reine Fiktion niederschreibt allein wichtig ist das
Ergebnis. Und dies spricht für sich. Vielleicht wird dieses Buch kein spektakulärer Erfolg wie
einige der Vorgänger aber es gehört mit Sicherheit zu den bedeutendsten Werken von Lenz und
weit darüber hinaus zu den bedeutendsten die in vielen vielen Jahren erschienen sind."