Nike Wagner leuchtet die phantastischen und teilweise bizarren Szenarien aus die die Köpfe und
Seelen des 19. Jahrhunderts beherrscht haben und deren Auswirkungen sich bis tief ins 20.
Jahrhundert hineinziehen. Auf dem Theater in Literatur und Musik wurden die
Auseinandersetzungen des Neuen mit dem Alten durchgespielt und jene Umbrüche und Widersprüche
vorgestellt die für den Beginn der Moderne charakteristisch sind.Mit dem Buch über die
Geschichte ihrer Familie (Wagner Theater) hat die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner
großes Aufsehen erregt. In ihrem neuen Buch Traumtheater. Szenarien der Moderne geht Nike
Wagner den kulturellen künstlerischen sozialen und psychologischen Fragen nach die am Beginn
des vergangenen Jahrhunderts standen. Wie hat sich das 20. Jahrhundert vom 19. gelöst?
Entwickelte sich die Moderne kontinuierlich oder in Sprüngen Regressionen und Neuansätzen? Am
Beginn des vergangenen 20. Jahrhunderts stand die Thematisierung der Angst vor der Zivilisation
(z. B. bei Hofmannsthal) vor den Kultursurrogaten (z. B. bei Karl Kraus) und ihrer Bewältigung
durchs Schreiben (z. B. bei Franz Kafka). Seit Nietzsches »Umwertungen« hörte die Suche nach
neuen ideologischen und ästhetischen Glaubenswelten nicht auf: In der überwindung des
Historismus durch den Jugendstil spiegelte sich der Generationenkonflikt als Epochenspannung
und Freuds »Traumdeutung« entdeckte das Leiden an der Gesellschaft als Ursache für die Neurosen
des einzelnen. Seit dem Absturz in die Barbarei aber gilt für alle die sich den
Herausforderungen ihrer Zeit stellen: Es gibt keine (»wahrhaftige«) Kunst mehr ohne die
Rückbeziehung auf die totalitären Schrecken des 20. Jahrhunderts. Um diese grundsätzliche
Thematik gruppieren sich die einzelnen Aspekte. Streitbar prononciert und in glänzendem Stil
untersucht Nike Wagner die Geschlechterrollen der Zeit die jüdische Frage das Verhältnis von
Psychologie Sprache Literatur und Musik künstlerische Konzepte und Formen des Theaters die
Bayreuth-Rezeption bis zum Dritten Reich schließlich die Frage nach einer spezifischen
Ästhetik der Moderne: Betrachtungen über ein Zeitalter das auch mit Beginn des 21.
Jahrhunderts noch nicht abgeschlossen ist.