Originell treffsicher und in höchstem Maße aggressiv - das sind die Attribute mit denen sich
die Aphorismen Karl Kraus' beschreiben lassen. Scharfsinnig und mit sprachlicher Raffinesse
oft witzig und immer unterhaltsam nahm der Herausgeber und Autor der Zeitschrift Die Fackel im
frühen 20. Jahrhundert die Gesellschaft kritisch und voller boshaften Spotts aufs Korn und
nichts und niemand war vor seiner spitzen Feder sicher: weder phrasendreschende Kollegen (»Es
gibt Schriftsteller die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können wozu ich manchmal sogar
zwei Zeilen brauche.«) noch unfähige und oder korrupte Vertreter des Staatsapparats («Einen
Brief absenden heißt in Österreich einen Brief aufgeben.«) oder anmaßende Psychoanalytiker
(»Man kehrt nur dann vor fremder Bewußtseinsschwelle wenn man's zuhause schmutzig hat.«) am
wenigsten aber das von Machtstreben Verlogenheit und sexueller Doppelmoral geprägte Bürgertum
(»Es ist nicht Sitte eine Frau zu heiraten die vorher ein Verhältnis gehabt hat. Aber es ist
Sitte mit einer Frau ein Verhältnis zu haben die vorher geheiratet hat.«).