Der Begriff Zweite Natur der schon in der Antike Verwendung findet nimmt in den
philosophischen Debatten der Gegenwart eine Schlüsselstellung ein. Auch wenn er in
verschiedenen Traditionszusammenhängen jeweils anders gedeutet wird soll mit dem Begriff doch
immer das Problem gelöst werden wie sich Natur und Freiheit kausale Notwendigkeit und
menschlicher Geist zueinander verhalten. In der auf Marx zurückgehenden Tradition wird mit
Zweiter Natur in kritischer Absicht der historischen Umstand bezeichnet dass sich die
geschichtliche Entwicklung weiterhin ohne vernünftige Planung und daher wie ein blinder
Naturprozess vollzieht in der sich auf Hegel berufenden und an Aristoteles anschließenden
Tradition wird mit Zweiter Natur die Tatsache umrissen dass sich viele unserer kognitiven und
moralischen Verhaltensweisen als Resultate von Gewohnheitsbildungen verstehen lassen und daher
so etwas wie eine künstliche Natur im Ganzen unserer Lebensweise darstellen und schließlich
wird in einer dritten eher auf Nietzsche und Freud zurückgehenden Tradition mit dem Verweis
auf unsere Zweite Natur die Aufmerksamkeit darauf gelenkt dass in das menschliche Verhalten
immer auch Zwänge unserer biologischen Natur hineinragen und dieses daher wie von außen
beeinflussen oder gar bestimmen. Der Kongress der Internationalen Hegel-Vereinigung vom 14. -
17. Juni 2017 in Stuttgart suchte zur Aufklärung des Verhältnisses dieser drei mit dem Begriff
der Zweiten Natur verknüpften Assoziationsfelder beizutragen. In elf Kolloquien deren Beiträge
dieser Band nun veröffentlicht wurde im Lichte verschiedener Disziplinen diskutiert wie die
Beziehung zwischen menschlicher Freiheit und Natur angemessen aufzufassen ist das
Themenspektrum reichte dabei von historischen Auseinandersetzungen mit einzelnen Traditionen
und Epochen bis zur Behandlung der Rolle der Zweiten Natur in der Ästhetik der
Sozialphilosophie der Psychoanalyse und der Anthropologie. Ergänzt wurde dieser thematische
Bogen durch drei Plenarvorträge und einem Forum freier Kurzvorträge auf dem
NachwuchswissenschaftlerInnen ihre Überlegungen zur Fragestellung des Kongresses vorstellen
konnten. Der Band bietet damit einen sowohl historischen wie systematischen Überblick über
einen philosophischen Schlüsselbegriff der Gegenwart.