Der Begriff der Autonomie und seine Beziehung zu der Idee der Freiheit gehören zu den
wichtigsten und in der Forschung am meisten diskutierten Themen der kantischen Philosophie.
Demgegenüber ist bisher verhältnismäßig wenig gewürdigt worden dass Kant den Menschen nicht
nur in seiner praktisch-moralischen sondern auch in seiner theoretisch erkennenden
Weltbeziehung als ein freies selbstbestimmtes Wesen begreift. Dieses Missverhältnis dürfte
auch daran liegen dass es sich hier weder um eine von Kant methodisch ausgearbeitete noch um
eine philosophisch unverfängliche These handelt. Der Autor unternimmt eine systematische
Verortung der Idee epistemischer Selbstbestimmung in den zentralen Theoriebausteinen der
kantischen Konzeption menschlicher Erkenntnis und erkundet auf dieser Basis das strukturelle
Verhältnis zwischen epistemischer Selbstbestimmung und moralischer Autonomie. Die Analyse rückt
die Parallelen und Unterschiede beider Domänen deutlich ins Licht und weist die Autonomie als
ein gleichermaßen das Erkennen wie das Handeln auszeichnendes allgemeines Formprinzip der
Vernunft auf.The concept of autonomy and its relation to the idea of freedom are among the most
important and most frequently discussed topics in the research on Kantian philosophy. In
contrast there has been relatively little appreciation of the fact that Kant conceives of man
as a free self-determined being not only in his practical-moral but also in his theoretical
cognitive relation to the world. This disproportion is probably also due to the fact that this
thesis has neither been methodically elaborated by Kant nor is it a philosophically innocuous
one. The author undertakes a systematic location of the idea of epistemic self-determination in
Kant's conception of human cognition and on this basis explores the structural relationship
between epistemic self-determination and moral autonomy. The analysis clearly highlights the
parallels and differences between the two domains and identifies autonomy as a general formal
principle of reason that characterizes both cognition and action.