Johann Gottfried Herder ist vielfach bis heute Symbolfigur für die Überwindung der Rhetorik im
Sturm und Drang. Doch diesem Befund widerspricht nicht nur Herders umfangreiche Redepraxis
sondern auch seine bisher kaum beachtete Aneignung von Rhetorik und sein fast unbekannter
Einspruch gegen Kants Verurteilung der Disziplin. Unter Berücksichtigung des Gesamtwerks und
zahlreicher handschriftlicher Quellen wird hier deshalb erstmals auf breiter Basis Herders
umfangreiche Auseinandersetzung mit der antiken und zeitgenössischen Rhetorik aufgearbeitet und
seine Rhetorikrezeption in Beziehung zu den Rhetorikkonzepten seines Umfeldes gesetzt. So wird
ein komplexes Ineinander von Kritik Anwendung und Transformation rhetorischen Theorie- und
Praxiswissens in Herders Lebenswerk sichtbar. Die interdisziplinär angelegte Untersuchung folgt
Herders Thematisierung und struktureller Aufnahme verschiedener Rhetorikformen im pädagogischen
theologisch-homiletischen philosophischen politischen und literarischen Diskurs und zeigt die
Unterschiedlichkeit der situativen und systematischen Konnotationen des Rhetorikbegriffes im
historischen Zusammenhang. Mit im Blick sind dabei immer das auch für Herders Theoriediskurs
konstitutive praktische Interesse und seine Selbstzeugnisse als Prediger und Schulredner. In
einem editorischen Anhang werden verschiedene Quellentexte und -dokumente erstmals zugänglich
gemacht.