Auch der Umgang der Historiker mit der deutschen Reformation des frühen 16. Jahrhunderts kennt
Konjunkturen. Aus dem Tal des Desinteresses in das die Forschung sie zwischen 1918 und 1960
hat fallen lassen ist sie strahlend wieder auferstanden. Längst nicht mehr das epochemachende
Ereignis in der Geschichte der deutschen Nation als das Ranke sie ein- und zugeordnet hatte
wird die Reformation heute zwischen Spätmittelalter und Frühmoderne verortet und bewusst in das
europäische Beziehungsgeflecht eingebunden. Nichtsdestoweniger folgen die Beiträge des
vorliegenden Bandes unterschiedlichen Deutungsansätzen interpretieren die Reformation des 16.
Jahrhunderts aus dem Geist des 14. und vor allem des langen 15. Jahrhunderts setzen sie in
Bezug zum Wandel fürstlicher Herrschaft und der Entwicklung kommunaler Eigenständigkeiten der
Krise bürgerlichen Wertedenkens und wirtschaftlicher Umbrüche. Theologische Neubestimmungen und
kirchliche Verfallserscheinungen werden vor dem Hintergrund einer langfristigen individuellen
und kollektiven Emanzipation diskutiert - wobei mit der Betonung eines derartigen prozessualen
historischen Kontinuums eine Änderung der Sprachregelung einhergeht die die Reformation zu
einer Reformation werden lässt.