Die Beiträge in diesem Band versuchen aus unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen
Perspektiven heraus die soziale Figur des Experten in der Vormoderne zu verorten. Ausgangspunkt
bildet die Annahme dass Experten im erhöhten Maße die soziale Verteilung und Hierarchisierung
von Wissen repräsentieren und durchsetzen. Sie treten als Träger besonderen Wissens auf an die
sich Akteure in bestimmten Problemsituationen wenden können. Experten versprechen
maßgeschneidertes Wissen zur Problemlösung bereitzustellen oder zu vermitteln. Dies erleichtert
einerseits die Wirklichkeitsbewältigung da man weiß dass man nicht alles wissen muss und es
eben Experten gibt an die man sich in prekären Situationen wenden kann. Doch so sehr Akteure
den Experten vertrauen wächst andererseits auch das Empfinden die eigene Handlungsautonomie
aufzugeben und fremdbestimmt zu werden. Experten sind deswegen die geborenen Sündenböcke: Man
verlangt von ihnen die Welt einfach zu machen und weist ihnen dafür einflussreiche soziale
Sonderrollen zu. Doch wenn sich die Wirklichkeit dann doch nicht so einfach gestalten lässt
oder wenn sie durch das Wirken der Experten sogar noch komplizierter wird werden sie zu
Zielscheiben der Kritik. Diese Kritik kann dabei kulturell äußerst produktiv sein. So kann man
in der Expertenkritik einen Reflexionsmodus erkennen in dem sich über Wissensordnungen
Machtverteilungen oder bestimmte Institutionen auseinandergesetzt wird und zugleich neue
Rollentypen und Institutionen entwickelt werden. Der Band zeigt die unterschiedlichen Momente
dieser sozialen Dynamik. Er trägt damit neue Sichtweisen in die Erforschung von
Expertenkulturen hinein die bislang von feuilletonistischen Debatten dominiert wird. Ziel des
vorliegenden Bandes ist es vor allem die zeitlich verengte Perspektive aufzubrechen die den
Experten unter Beschränkung auf das 20. und 21. Jahrhundert zu verstehen versucht. Die aus
unterschiedlichen Disziplinen stammenden Beiträge zeigen dass spätestens seit dem 12.
Jahrhundert im lateinischen Europa das ambivalente Verhältnis von Expertenvertrauen und
Expertenkritik wirkmächtig ist.