Die reiche Rezeptionsgeschichte von Prousts Erinnerungsroman À la recherche du temps perdu ist
auch die Geschichte einer Faszination begründet nicht zuletzt durch die Vielzahl seiner
Perspektiven. Eine von ihnen blieb bisher weitgehend unerkannt - die den Text durchgängig
bestimmende Kraft der Reflexion. So wird nicht nur aus der Erinnerung ein Geschehen
rekonstruiert sondern auch mittels der Reflexion ein Denkweg beschritten in dessen Verlauf
sich aus den kontingenten Ereignissen eines Lebens ein allgemeingültiges Fazit ergibt. Hier
steht das Ich des Romans mit den Rezipienten in einem intensiven Dialog: Dessen Ziel ist eine
generelle alle Menschen verbindende Wertigkeit des Erkennens. Aus ihr leitet sich in der
letzten spektakulären Volte des Textes der Schreibakt eines Werkes ab das nicht nur ein
édifice immense du souvenir errichtet sondern auch kleiner dimensioniert ein Gebäude aus
Gedanken. [Der 150. Geburtstag ihres Verfassers in diesem Jahr führt nicht zum Altern von
Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit sondern macht im Gegenteil deren Frische
offenkundig. Die Erfolgsgeschichte dieses Romans ist die Geschichte der Begeisterung seiner
Leserinnen und Leser die zahlreiche Ursachen hat darunter die Vielfalt seiner Perspektiven.
Eine von ihnen blieb bisher unerkannt: die den Text durchgängig bestimmende Kraft der
Reflexion. So wird nicht nur ein Geschehen (aus der Erinnerung) rekonstruiert sondern auch ein
Denkweg beschritten in dessen Verlauf aus den kontingenten Ereignissen eines Lebens ein
allgemeingültiges Fazit gezogen wird. Ist das Geschehen in einem Roman der ein Leben
rekonstruiert singulär und individuell so zeigt die Reflexion auf welche generellen Schlüsse
es nahelegt. Auf dieser Ebene steht das Ich des Romans das in den reflektierenden Passagen zu
man oder wir mutiert mit den Rezipienten in einem permanenten Dialog dessen letztes Ziel
nicht nur ein poetisches Selbstbewusstsein des Werkes sondern darüber hinaus eine allgemeine
die alle Menschen verbindende Valenz des Erkennens ist. Aus ihr leitet sich in der letzten
spektakulären Volte des Textes der Schreibakt ab sie generiert aber auch - und das sucht die
Publikation zu zeigen - ein neues plaisir du texte ein bis dato ungekanntes tiefgründiges
Vergnügen des Lesens.]