In seinem Werk Philosophie als Lebensform vertritt Pierre Hadot (1922-2010) die These dass die
Philosophie bis zu Beginn der hochmittelalterlichen Scholastik nicht primär Wissenschaft mit
Anspruch auf systematische Stimmigkeit und Objektivität sei sondern auf einen
psychologisch-pädagogischen Effekt für die Lebenspraxis abziele: »Die Philosophie der
hellenistischen und römischen Epoche stellt sich als eine Lebensweise eine Lebenskunst und
eine Seinsweise dar.« Es geht darum das Sein des Menschen zu verwandeln und ihm zum Glück zu
verhelfen. Das frühe Christentum sowie das mittelalterliche Mönchtum knüpften daran an und
verstanden das spirituelle Leben als philosophia die durch die Praxis geistiger Übungen in
Christus den alten Menschen ablegt und den neuen anzieht (vgl. Eph 4 22-24). In der Mystik die
seit Dionysius Areopagita (ca. 500 n. Chr.) zu einem expliziten Inhalt des Denkens wird spitzt
sich dieses Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis zu. Per definitionem ist Mystik
eine überwältigende Erfahrung die alle Affekte involviert. Aber genau diese Erfahrung wird
schon in der vorchristlichen griechischen Philosophie zum Inhalt einer rationalen Reflexion.
Dementsprechend oszilliert der Begriff einer theologia mystica zwischen unmittelbarem Erleben
und systematischer Theorie. Mit Beiträgen von Rolf Darge Lioba Fau OSB Paul D. Hellmeier OP
Johannes Herzgsell SJ William J. Hoye Johann Kreuzer Isabelle Mandrella Johannes Schaber
OSB Christian Schäfer Peter Sloterdijk Wolfgang Speyer und Martin Thurner.