Das Ungewöhnliche an der Freundschaft deren Chronik dieser Briefwechsel bildet war nicht ihr
aufsehenerregendes Ende: jener fetzige Verriß mit dem der amerikanische Autor Edmund Wilson
1965 die kommentierte «Eugen Onegin»-Übersetzung bedachte auf die Vladimir Nabokov mehr Mühe
verwandt hatte als auf irgendeines seiner eigenen Werke und dann Nabokovs noch fetzigere
Selbstverteidigung. Das Ungewöhnliche an ihr war daß sie überhaupt zustande kam und dann so
lange hielt. Dauerhafte und enge intellektuelle Freundschaften unter Schriftstellern sind
selten denn Schriftsteller von einigem Anspruch müssen unabhängige Geister ja Monomanen sein
und diese beiden waren es jedenfalls. Vor allem Nabokov war sonst immer penibel auf Abstand
bedacht und der gefürchtete Literaturkritiker Wilson war eigentlich auch nicht jemand den man
ohne weiteres mit «Bunny» anreden durfte. Worauf sich ihre Freundschaft genau gründete bleibt
in gewisser Weise ein Rätsel. In der ersten Zeit profitierten sicherlich beide von ihr: Nabokov
war 1940 neu in Amerika und brauchte jemand der ihm mit Rat und Tat beistand sich im
amerikanischen Literaturbetrieb zurechtzufinden - beides wußte Wilson ihm großzügig zu spenden.
Wilson seinerseits hatte nach der großen Enttäuschung über Stalins Regime gerade begonnen
Russisch zu lernen und sich systematisch mit der russischen Literatur zu beschäftigen da war
ihm ein veritabler russischer Schriftsteller willkommen der ihn beim Eindringen in die fremde
Kultur bereitwillig unterstützte. Bald aber zeigte sich daß die gegenseitige Hilfe ihre
Grenzen hatte: Auch der arrivierte Wilson hatte immer wieder schwere Existenzsorgen die denen
Nabokovs kaum nachstanden und mußte wie dieser einen täglichen Kampf mit Redakteuren und
Verlegern führen.