Wenige Wochen nach der Befreiung von Paris im Oktober 1944 schrieb Sartre den vorliegenden
Essay. Den ersten Teil das Porträt des Antisemiten veröffentlichte er im Dezember 1945 in Les
Temps Modernes. Er hatte zunächst gezögert den vollständigen Text drucken zu lassen aus
Furcht die Analyse des unauthentischen Juden könnte falsch verstanden werden. Es war dann vor
allem die positive Reaktion jüdischer Intellektueller die ihn veranlasste 1946 den Text
ungekürzt der Öffentlichkeit zu übergeben.Der Antisemit ... ist ein Mensch der Angst hat.
Nicht vor den Juden natürlich: vor sich selbst vor seinem Bewußtsein vor seiner Freiheit vor
seinen Trieben vor seinen Verantwortlichkeiten vor der Einsamkeit vor der Veränderung vor
der Gesellschaft und vor der Welt vor allem außer vor den Juden. Er ist ein Feigling der
sich seine Feigheit nicht eingestehen will ein Mörder der seine Mordlust verdrängt oder
zensiert ohne sie zügeln zu können und der trotzdem nur in effigie oder in der Anonymität
einer Menge zu töten wagt ein Unzufriedener der sich nicht aufzulehnen wagt aus Angst vor den
Folgen seiner Auflehnung. (Jean-Paul Sartre)