Im Jahr 1928 als in Europa die Zeichen auf Surrealismus standen erschien in Spanien ein Buch
das zu der Handvoll lyrischer Massenerfolge gehört die die Literaturgeschichte kennt: García
Lorcas Zigeunerromanzen ein Bestseller in der Größenordnung von Heines Buch der Lieder oder
Baudelaires Blumen des Bösen. Mit diesem schmalen Band der auf dem archaischen Gefühlsklavier
der Romanze in einer Weise spielt die den Zeitgenossen atemberaubend neu erschien erreichte
der Spanier was selten gelingt und niemals verziehen wird: Avantgardist und Populärstar
zugleich zu sein.Die Avantgarden haben längst selbst Grünspan angesetzt und Lorcas Romanzen
sind dem Schulbuch anheimgefallen. Mit dem Erscheinen der neuen übersetzung von Martin von
Koppenfels (Dichter in New York 2000) ist jetzt die Gelegenheit gekommen einen
unvoreingenommenen Blick auf dieses erstaunlich langlebige Kultbuch von einst zu werfen um
herauszufinden worin sein Geheimnis besteht. Was steckt hinter diesem andalusischen
Bilderbogen mit seinen melancholischen Viehdieben und transsexuellen Erzengeln seinen
Zigeunermadonnen und mondsüchtigen Planeten seinen Märtyrern und kürbiskernkauenden
Straßenkindern? Man wird entdecken daß diese Romanzen fragile Gebilde sind Seiltänze von der
Ballade zum Puppentheater von der schwarzen Romantik ins Land Dada. Lorca jongliert mit den
Stilen: Das ölige Pathos des Moritatensängers beherrscht er so gut wie die schrille oder
ironische Pointe. Und zugrunde liegt dieser Lyrik eine stetige stille Hysterie der Bilder die
ahnen läßt von wem Buñuel Saura oder Almodóvar so manchen ihren Kunstgriffe gelernt haben.