Noch während am 11. September 2001 die Bilder vom verheerenden Anschlag auf das World Trade
Center in New York über den Bildschirm liefen begann Thomas Kling einen lakonischen
Klagegesang zu entwerfen als Liveschaltung »an den wassern des hudson«: »Manhattan Mundraum
Zwei«. Dieses Gedicht steht am Anfang seines 2002 erschienenen Bandes Sondagen und überwölbt so
das gesamte nachfolgende zyklisch gegliederte Geschehen. Mit seinem Spezialwerkzeug dem aus
Worten gefertigten empathischen Zoom nähert der Dichter sich Szenen des Spanischen
Bürgerkriegs unternimmt einen Segeltörn auf den Spuren von Beowulf steigt nachdichtend in die
griechische Antike hinab erinnert sich wie er als Jugendlicher eine Abrissvilla in Düsseldorf
durchstöbert hat. Das Gegenstück zu »Manhattan Mundraum Zwei« aber bildet der Zyklus »Eine
Hombroich-Elegie« in der sich die Natur unmittelbar vor dem Fenster seines Arbeitszimmers in
Mikrodramen von erschütternder Zartheit verwandelt. Sondagen - Freilegung von Schichten im
sprachlichen Gelände. Sondagen - »ein genau komponierter Zyklus aus kleineren Zyklen
Choreographie und Begleitmusik eines Gespensterreigens der im flackernden Licht der
Feuerstellen und Bildschirme vorüberzieht«. Heinrich Detering FAZ