Beherzigt man Nietzsches Mahnung die Moral selbst als Problem zu fassen so wird der Blick
frei für Voraussetzungen Wirkkräfte und Abgründe der Moral die nicht selbst moralisch sind.
Um den blinden Fleck der Moral zu erkunden bedarf es einer ethischen epoché. Besondere
Angriffsflächen bietet die Standardform einer Gesetzesmoral der die Rechtfertigung über alles
geht bis ihr die Motivationskraft abhanden kommt. Ihre Aporien und Paradoxien treten
unverblümt zutage wenn man Schlüsselthemen wie Freiheit Rechtsgleichheit Macht und Gewalt
heranzieht. Diesseits und jenseits der Moral zeigen sich ethische Überschüsse in Form von
Tugendmustern Motivationen Leidenschaften oder Gesten des Gebens mitsamt einer religiösen
Aura. Es begegnen uns fremde Ansprüche die weder einem allgemeinen Sollen noch einem
individuellen Wünschen gehorchen. Also nicht nochmals Aristoteles gegen Kant sondern eine
eigene Form von responsiver Ethik. Bernhard Waldenfels ist Professor emer. für Philosophie an
der Ruhr-Universität Bochum.