Jan Patocka (1907-1977) ist einer der wichtigsten Vertreter der tschechischen Philosophie des
20. Jahrhunderts. Als Schüler von Husserl und Heidegger verband Patocka das phänomenologische
Denken in neuer Weise mit der Reflexion über Politik und Geschichte. Durch seine legendären
Prager Untergrundseminare und sein Engagement in der Charta 77 wurde er zu einer
intellektuellen und moralischen Autorität. In den Ketzerischen Essays - in den letzten Jahren
seines Lebens geschrieben - hat Patockas politisches und geschichtsphilosophisches Denken
seinen prägnantesten Ausdruck gefunden. In der Zeit der Normalisierung nach der Niederschlagung
des Prager Frühlings denkt Patocka über Europa als widersprüchliches stets gefährdetes und
niemals abschließbares Projekt nach - ein noch zu entdeckendes Denken dessen Bedeutung für das
Selbstverständnis Europas erst heute sichtbar wird.