Wir leben in einer durchpsychologisierten Gesellschaft. Selbsthilfegruppen schießen wie Pilze
aus dem Boden Beziehungsratgeber erzielen gigantische Auflagen und die Einschaltquoten von
Serien wie Die Sopranos oder Pseudo-Dokus wie Zwei bei Kallwass lassen die Herzen der
Programmacher höher schlagen. Was früher verschämt verschwiegen wurde gehört in westlichen
Gesellschaften heute zum festen Repertoire einer aufgeklärt-bürgerlichen Mittelschicht: der
Gang zum Therapeuten. Ehekrisen löst man nicht mehr in den eigenen vier Wänden sondern in der
Praxis eines Paartherapeuten Spezialpsychiater für Milliardäre helfen bei der seelischen
Bewältigung großer Vermögen und jeder Spitzensportler der etwas auf sich hält hat einen
Psychologen an seiner Seite. In ihrem neuen Buch untersucht die israelische Soziologin Eva
Illouz wie sich der therapeutischen Diskurs auf unser kulturelles und emotionales Leben
auswirkt. Sie zeichnet den Siegeszug der Psychoanalyse in den USA nach der 1909 mit Freuds
Amerikareise begann und über die kulturellen Eliten rasch zur festen Verankerung
psychologischer Denkmuster zunächst in der amerikanischen Kultur führte. Anhand zahlreicher
empirischer Beispiele und mit den scharfen Instrumenten einer kritischen soziologischen Theorie
seziert sie die Facetten und Funktionsweisen eines Diskurses der die Vorstellungen von der
Identität des modernen Subjekts tiefgreifend verändert. Therapien und die Kultur der
Selbsthilfe so eines ihrer Ergebnisse verändern den emotionalen Stil einer Gesellschaft und
machen das Leben nicht leichter sondern im Gegenteil komplizierter.