Ulla Berkéwicz hat Shakespeare Calderón und Synge für das Theater übersetzt und bearbeitet.
Nur Wir ist ihr erstes eigenes Theaterstück ein poetischer Versuch dem Thema Tod neue
dramatische Bilder abzugewinnen. Nur Wir ist ein Todestraumspiel. Das Stück basiert in seinen
Grundelementen auf einer realen Begebenheit die vor fünfzehn Jahren durch die Zeitungen ging:
Esther Albouy war das schlechte Gewissen eines Städtchens. Seitdem sie im Krieg wegen
angeblicher Kollaboration mit den Deutschen öffentlich gebrandmarkt worden war hatte sie ihr
Elternhaus nicht mehr verlassen. Nach drei Jahrzehnten stürmten Gendarmen das Haus fanden dort
die anscheinend wahnsinnig gewordene Frau und ihren seit vielen Jahren toten Bruder. Nur Wir
sind zwei Menschen Schwester und Bruder Sie und Er die mit ihrem toten Bruder Klaus und den
Erinnerungen an die Eltern leben in ihrem Haus hausen seit Jahr und Tag ihr Haus nicht mehr
verlassen. Das Haus steht in einem Dorf den Dorfbewohnern ist das Haus ein Totenhaus ein
Gespensterhaus die Anwesenheit von Tod im Leben die Bedrohung. Jeden Tag kommt der Postbote
der Bote aus der Außenwelt wütet und droht schlägt und tritt gegen Hauswände und
verbarrikadiert Türen. Er und das Dorf sie wollen das Totenhaus »abfackeln« das Dach anzünden
die Wand hacken.Sie und Er das sind nach Walter Benjamin »Figuren die den Wahnsinn hinter
sich haben«. Seit dem Tod der Eltern haben sie aufgegeben das Leben zu leben. Da sie den Tod
nicht begreifen akzeptieren sie ihn nicht. Da sie den Tod nicht begreifen begreifen sie das
Leben nicht und meinen wenn man nicht lebt kann einem der Tod nicht passieren. Das Haus wird
zu einem Ort außerhalb der Welt. Im Dasein der beiden gilt einzig. Nur Wir. Als Leitmotiv und
Kehrreim durchgehend von Anfang bis Ende steht die Frage: »Was ist gewesen? Was wann?« Eine
Frage wie wir sie als Lebensbilanz auch bei Beckett finden eine Fundamentalfrage auf die es
als Signum des Daseins keine Antwort gibt. Doch die Figuren von Nur Wir würden auch keine
Antwort akzeptieren: »Wir dürfen spielen« denn »es hängt von uns ab was wirklich ist«. Und:
»Es gibt noch ungeträumte Möglichkeiten.« Im letzten Bild stürmt der Postbote mit den
Dorfleuten das Haus doch Sie und Er mitsamt dem toten Bruder haben es verlassen: »Die Lösung
des Rätsels des Lebens in Raum und Zeit« - so Wittgenstein - »liegt außerhalb von Raum und
Zeit.« Die Figuren von Nur Wir nutzen die »noch ungeträumten Möglichkeiten« steigen aus Raum
und Zeit aus. In der Zeit vom 27. Oktober 1989 schrieb der Theaterkritiker Benjamin Henrichs
über die gegenwärtige Theaterlandschaft: »...kein Weg führt weiter. man müßte umkehren noch
einmal von vorne beginnen und suchen was man irgendwann unterwegs verloren hat: die Naivität.
Das Theater ist eine intellektuelle Kunst und eine kindliche und gut ist es nur wenn es
beides ist.« Benjamin Henrichs schloß die Stückeschreiber »müssen das neue Theater
herbeischreiben«. Hier ist ein solches Stück.