»Weiß vor Angst und Schlaflosigkeit machten wir uns auf nachzusehen was von Marindvor
übriggeblieben war.« Wieder sind sie verschont geblieben: ein Granatsplitter hat nicht den
Autor und seine Frau aber die Bücher getroffen: William Faulkner Nadeshda Mandelstam
Gottfried Kellers »Grünen Heinrich«. In kurzen unvergesslichen Szenen beschreibt Dzevad
Karahasan das Leben im belagerten Sarajevo. Einen Mann der aus der Warteschlange tritt sich
auf ein Mäuerchen setzt und stirbt. Die Evakuierung der jüdischen Gemeinde. Das absurde
Gespräch mit einem französischen Korrespondenten über Hunger und Kälte. Sarkasmus Humor Güte
und eine beeindruckende geistige Souveränität charakterisieren die Haltung mit der Karahasan
vom Alltag im Krieg und von der Übersiedlung einer kulturell und religiös polyphonen Stadt in
die Sphäre des Idealen schreibt. Das Tagebuch der Übersiedlung ist ein bleibendes Zeugnis über
die Belagerung Sarajevos - weniger im Sinne einer Alltagsdokumentation als durch seine
gedankliche und ethische Strahlkraft.