Feigen frische Feigen! ruft vor den Toren des Vatikans eine dicke Römerin neben einem
kahlgeschorenen Mann der ein T-Shirt mit dem Aufdruck Mafia. Made in Italy trägt und auf einem
Stab einen kleinen Plastiknegerkopf in die Höhe hält den er den vorbeigehenden Pilgern zeigt.
Aufdringlich geradezu überwältig fühlbar riechbar hör- und sehbar beschreibt Josef Winkler
in seiner römischen Novelle die Stadt wo sie am lebendigsten ist: wochentags das Markttreiben
auf der Piazza Vittorio Emanuele sonntags das Warten und Lungern vor dem Vatikan. Unter den
Wartenden befinden sich die Feigenverkäuferin und ihr schöner Sohn der sonst für einen
Fischhändler auf der Piazza Vittorio Emanuele arbeitet. Auch dort auf dem Markt zwischen all
den Menschenleibern toten und zerteilten Tieren Südfrüchten und Gemüse taucht allenthalben -
einbezogen in ein pausenloses Kreuzfeuer gelangweilter taxierender und begehrender Blicke
neckendr und unverschämter Zurufe - dieser Piccoletto mit de n langen Wimpern auf dessen Welt
dann - einen losen Augenblick lang - in einer unheimlichen Beschleunigung und Verdichtung in
den Sog von Piccolettos Schicksal gerissen wird ist atemraubend. Fabelhaft. Eine große
poetische Etüde über die Vergänglichkeit des Daseins. Ein sehr sinnliches Buch. Marcel
Reich-Ranicki