Unauflöslich und ungeheuerlich erscheint das Dilemma das dem zweiten Roman von Albert
Ostermaier seine aufs äußerste gehende existentielle moralische und gesellschaftliche
Dimension verleiht. Ein junger Mann aufgewachsen in einem katholischen Internat in Bayern der
sein Leben darauf ausgerichtet hat Schriftsteller Dichter zu werden muß sich entscheiden
zwischen sicherem Tod und ungewissen Überleben für das er sich allerdings zwei völlig
unbekannten Menschen überlassen muß. Eine ausgewiesene prominente Ärztin stellt ihm die
Diagnose er leide an einer nur von ihr diagnostizierbaren tödlichen Krankheit die eine
sofortige Therapie im amerikanischen Texas erfordere. Der väterliche Mentor ein katholischer
Priester rät der Ärztin zu vertrauen und in die USA zu reisen. Wie soll sich der angehende
Schriftsteller entscheiden? Andere Diagnosen einholen obwohl sie laut Ärztin die Krankheit
nicht aufspüren können? Dem Rat der Eltern folgen und sich sofort dem Krankenhaus ausliefern?
Statt dessen rekapituliert er sein Leben und die Ereignisse die zu dieser dramatischen
Situation geführt haben. Diese Recherche der vergangenen und verlorenen Jahre eines jungen
Mannes weitet sich durch die detailgetreue nüchterne Schilderung der Internatsjahre zu einem
umfassenden erschütternden Panorama moralisch-politischer Strukturen im Süden Deutschlands in
dem der einzelne wenig die Kirche alles zählt. Und nur wer sich gegen die miteinander
verzahnten Hierarchien stellt ist wie Albert Ostermaier in der Lage souverän vom Leiden
dem eigenen wie dem anderer einfühlsam und zugleich distanziert spannend und mitreißend
anklagend und erklärend zu erzählen.