Alexander Mitscherlich wurde am 20. September 1978 70 Jahre alt. Seinem ungewöhnlichen
Engagement ist es zu verdanken dass die Psychoanalyse in der Bundesrepublik Deutschland in
ihren wissenschaftlichen therapeutischen und sozialpsychologischen Wirkungsmöglichkeiten
wieder Fuß fassen konnte. Mitscherlich hat nach der Periode der »Gegenaufklärung« der Zeit des
Nationalsozialismus sein ganzes Schaffen der Freiheit des Denkens und der Einübung in Toleranz
gewidmet unermüdlich gegen »hergestellte Dummheit« gekämpft und sich für den Wiederaufbau
demokratischer Strukturen eingesetzt. Nach dem Studium der Geschichte Philosophie
Kunstgeschichte und der Medizin vorm und im Krieg wurde er 1946 Privat-Dozent an der
Heidelberger Universität. Zu den herausragenden Leistungen seiner weitgespannten Tätigkeiten
gehört der Aufbau der Psychosomatischen Klinik Heidelberg deren Direktor er von 1949-1967 war.
Durch seine vielfältigen Kontakte zum Ausland und seinen Aufenthalt in England konnte er der
psychoanalytischen Arbeit in dieser Klinik stets neue Impulse geben sei es in Form der
Vertiefung und Präzisierung psychoanalytischer Behandlungsmöglichkeiten und -techniken sei es
durch die Einführung der inzwischen auch in Deutschland etablierten Balintgruppen. Sein
dominierendes wissenschaftliches Interesse galt damals der Entwicklung einer Theorie der
psychosomatischen Erkrankungen in deren Mittelpunkt er die Suche nach einem Zusammenhang
zwischen körperlicher Erkrankung (unbewussten) psychischen Prozessen und sozialen
Umwelteinflüssen stellte. Seine Gabe solchen Wechselwirkungen nachzuspüren und sie zum
Gegenstand sowohl wissenschaftlicher Untersuchungen als auch des öffentlichen Interesses zu
machen schlug sich in seinem kontinuierlichen Kampf gegen die »Unwirtlichkeit unserer Städte«
nieder ebenso wie in seiner Lehrtätigkeit als Professor an der Universität Heidelberg die
gekennzeichnet war vom ständigen Bemühen eine »Medizin ohne Menschlichkeit« aus ihrer
naturwissenschaftlich-einseitgen Isoliertheit in einen sozialwissenschaftlichen Kontext zu
stellen - was ihm nicht nur Freunde bescherte. Noch in die Heidelberger Zeit fällt die Gründung
des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt dessen Direktor Alexander Mitscherlich von 1959 bis
1976 war und das bis heute Ort seines Schaffens ist. Es war weltweit das erste staatliche
Institut das sich der psychoanalytischen Forschung und Lehre widmet. Hier gelang es
Mitscherlich die Interdisziplinarität von psychoanalytisch orientierter Medizin Psychologie
und Soziologie zu institutionalisieren. Seine Lehrtätigkeit als Psychoanalytiker konnte er am
ersten deutschen Lehrstuhl für Psychoanalyse an der Frankfurter Universität fortsetzen. In der
Festschrift zu seinem 70. Geburtstag wird Alexander Mitscherlich von Freunden aus der Zeit des
Wiederaufbaus der Psychoanalyse in der BRD von wissenschaftlichen Kollegen Mitarbeitern und
Schülern die in ganz unterschiedlichem doch stets durch die Psychoanalyse vermittelten Bezug
zu ihm stehen geehrt.