Als Georg Simmel 1900 einen Ruf als außerordentlicher Professor für Philosophie an die Berliner
Friedrich-Wilhelms-Universität - die heutige Humboldt-Universität - erhielt geschah dies gegen
den erbitterten Widerstand des akademischen Establishments und antisemitisch gesinnter Kreise
in der Politik. Dabei war die Berliner Universität Simmels Alma mater: hier hatte er studiert
promoviert und sich habilitiert hier sollte er viele Jahre ohne Gehalt lehren und forschen
bis zu seiner Übersiedlung nach Straßburg wo er wenige Jahre vor seinem Tod endlich Ordinarius
für Philosophie wurde. Dennoch waren Simmels Berliner Jahre seine fruchtbarsten in denen er
nicht nur seine großen soziologischen Werke schuf sondern durch seine aufsehenerregenden
Vorlesungen zum Star der Universität avancierte. Kaum einer konnte so mitreißend über Logik
Ethik und Ästhetik lesen wie er seine Kollegs gerieten mitunter zum gesellschaftlichen
Ereignis und fanden großen Zulauf weit über akademische Kreise hinaus. Sie bildeten wie sich
Kurt Gassen 1958 erinnerte »für jeden der überhaupt von seiner Denk- und Darstellungsweise
angesprochen wurde immer die Gipfelzone des Semesters [...]. In Simmels Kollegs lernte man
nicht nur Gedankliches man lernte denken man erfuhr nicht nur von Geistigem man erlebte
unmittelbar Geist erlebte das Wirken eines Geistes«. Der Band versammelt 26 Mit- und
Nachschriften von Simmels Vorlesungen verfaßt unter anderem von Ernst Robert Curtius Georg
Heym Edith Kalischer Harry Graf Kessler Adolf Löwe Georg Lukács Rudolf Pannwitz Robert E.
Park Arthur Ruppin Gottfried Salomon Herman Schmalenbach Kurt Singer und Margarete Susman.
Sie geben zusammen mit zwei Kollegheften einen Einblick in Simmels Lehre wie sie von einigen
seiner Studenten rezipiert wurde die später allesamt selbst Berühmtheit erlangen sollten.