Mit Simmels Briefen von 1912 bis 1918 wird der zweite und letzte Teil seines Briefwerks
vorgelegt. Dank der größeren Dichte der Überlieferung die der 1914 erfolgten Berufung nach
Straßburg geschuldet ist sind Leben und Denken Simmels hier nun umfassend und detailliert
dokumentiert. Zudem scheint Simmel aufgrund der räumlichen Distanz zu seinem privaten und
wissenschaftlichen Bezugsfeld und insbesondere nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs der ihn in
die Festungsstadt Straßburg bannte seine Isolation via Korrespondenz überwinden zu wollen. Auf
eng beschriebenen Postkarten und in unverschlossenen Briefen u.a. an Bergson Buber Rickert
und Tucholsky bringt Simmel hier zum Ausdruck was sich an Persönlichem und Sachlichen unter
den Bedingungen der seit dem 1. August 1914 herrschenden Zensur für sämtliche von und nach
Straßburg gehende Korrespondenz sagen ließ. Drei große Themen dominieren die Korrespondenz
dieser Jahre die sich wie ein intellektuelles Tagebuch und ein soziologischer Kommentar dieser
Zeit liest: seine Sorge um den Fortbestand Deutschlands innerhalb Europas und seine Initiativen
die daraus erwachsen die Beeinträchtigung aller wissenschaftlichen und privaten Pläne durch
die kriegsbedingte und in Straßburg in besonderem Maße gesteigerte Ungewißheit der Zukunft und
schließlich sein Bemühen im Wissen um den bevorstehenden Tod seinem Leben und Werk einen
Abschluß zu geben.