Nachdem die Diskussion über Schellings Spätphilosophie seit den fünfziger Jahren von zwei
einander schroff entgegengesetzten Interpretationsstrategien bestimmt worden ist für die auf
der einen Seite die theologische Deutung von Horst Fuhrmans auf der anderen die
vernunfttheoretische Deutung von Walter Schulz einsteht werden hier qualitativ neue
Perspektiven eröffnet indem der gemeinsame Ausgangspunkt beider Strategien kritisiert wird.
Der Ansatz bei einer »geschichtlichen Vernunft« zeigt eine bisher unberücksichtigte
Deutungsmöglichkeit auf die um die zentrale Einsicht kreist daß für den späten Schelling
nicht wie bisher stets angenommen die systematische Differenz von negativer und positiver
Philosophie maßgeblich ist sondern - im Ausgang von der genuin geschichtlichen Differenz von
Mythologie und Offenbarung - der Entwurf einer radikal geschichtlichen Philosophie. Dieser neue
Deutungsansatz gewinnt Profil durch die weitere These daß der späte Schelling eine Kritik der
Vernunft im Namen der Vernunft selbst vorträgt und so die Vernunftkritik Kants in einer
geschichtlichen Perspektive reformuliert und weiterführt.