Individuen kann man bekanntlich daran erkennen daß sie einen Knick in der Optik haben. Sie
gewinnen allen öffentlich zugänglichen Dingen und Ereignissen einen zweiten Sinn ab der
zunächst einmal nur für sie selbst zugänglich ist. In dieser höchst persönlichen Optik mag dann
etwa als Langsamkeit eines Mitmenschen erlebt werden was dieser der Ungeduld des Erlebenden
selbst zurechnen würde. Besonders konsensfähig ist diese individualisierte Art des Erlebens
also nicht. Immerhin kann der Fall eintreten daß ein anderer statt einfach nur mit dem Kopf
zu schütteln sich in meine Weltsicht hineinversetzt und dann sogar anfängt sie durch eigenes
Handeln zu bestätigen: Statt mir Ungeduld vorzuwerfen handelt er selbst etwas schneller. Für
die anderen ist mein Erleben dann immer noch unmaßgeblich aber für den anderen hat es offenbar
die Kraft eines starken Motivs. So wird es mir leichter gemacht der zu sein der ich bin.In
dieser Bestätigung fremden Erlebens durch eigenes Handeln sieht Niklas Luhmann die
kommunikative Grundlage dessen was wir Liebe nennen. Sein 1982 erschienener Klassiker Liebe
als Passion hatte vor allem die Ideengeschichte des Themas vor Augen. Der nun edierte Aufsatz
geschrieben 1969 als Vorlage zu einem der ersten Bielefelder Seminare Luhmanns behandelt die
Liebe ohne den Apparat des Gelehrten. Er bietet eine direkte und pointierte Darstellung der bis
heute einzigen soziologischen Theorie der Liebe die wir haben.