Besteht eine Beziehung zwischen Wahrheit und Geld? Kann man von einem Preis der Wahrheit
sprechen? Anders als die Sophisten die einen Preis für ihre Lehren festsetzen spricht
Sokrates ohne Bezahlung. Doch nimmt er Geschenke an die der von ihm angebotenen Gabe
entsprechen. Er muß es sogar wie Aristoteles versichert weil Wissen und Geld kein gemeinsames
Maß besitzen. Gibt es also Verbindlichkeiten die sich keinem Vertrag verdanken und Güter die
sich jedem Marktwert entziehen? Gibt es ein soziales Band diesseits von Gesetz und Geld? Marcel
Hénaffs Studie zeigt daß sich eine Antwort auf diese Fragen nur diesseits der eingespielten
Arbeitsteilung zwischen ökonomischen und moralischen Diskursen finden läßt. Im Anschluß an die
anthropologischen Forschungen von Marcel Mauss lokalisiert er die Quelle des Sozialen in dem
elementaren Austausch von Gabe und Gegengabe. Doch was heißt »Geben«? Bedeutet es »irgend
etwas« anzubieten? Und woher kommt seine Kraft der Verbindlichkeit warum fordert es dazu auf
die Gabe zu erwidern? Die anthropologische und ethnologische Forschung lehrt uns daß die
Antwort nicht mit Blick auf die gegebene Sache zu finden ist. Geben ist ein Akt der Anerkennung
der seinerseits Anerkennung fordert. Diese Einsicht entfaltet Hénaff am Phänomen des Opfers
der Schuld und der Gnade ebenso wie an den Strukturen des Geldverkehrs und des Marktes. In
einer tour de force durch die europäische Geistesgeschichte analysiert er die religiösen und
rechtlichen die moralischen und ökonomischen Transformationen des Gabentauschs von Sokrates
und den Sophisten bis in die Gegenwart.