Die 1970er Jahre wurden von einer gigantischen »Regierbarkeitskrise« erschüttert: Die
Wirtschaftswelt hatte mit massiver Disziplinlosigkeit der Arbeiter zu kämpfen aber auch mit
der so genannten »Managerrevolution« mit bisher beispiellosen ökologischen Massenbewegungen
und neuen Sozial- und Umweltvorschriften. Politisch geäußerte Ansprüche immer zahlreicher
werdender sozialer Gruppen drohten in den Augen der herrschenden Eliten aus Wirtschaft und
Politik die Gesellschaft unregierbar zu machen. Der französische Philosoph Grégoire Chamayou
porträtiert in seinem faszinierenden Buch dieses Krisenjahrzehnt als den Geburtsort unserer
Gegenwart - als Brutstätte eines autoritären Liberalismus. Zur Abwehr der Bedrohung wurden in
wirtschaftsnahen Kreisen neue Regierungskünste ersonnen die beispielsweise einen Krieg gegen
die Gewerkschaften den Primat des Shareholder Value sowie eine Entthronung der Politik
vorsahen. Der damit seinen Siegeszug antretende Neoliberalismus war jedoch nicht durch eine
einfache »Staatsphobie« bestimmt. Die Strategie zur Überwindung der Regierbarkeitskrise bestand
vielmehr in einem autoritären Liberalismus bei dem die Liberalisierung der Gesellschaft eine
Vertikalisierung der Macht impliziert: Ein »starker Staat« für eine »freie Wirtschaft« wird zur
neuen Zauberformel unserer kapitalistischen Gesellschaften.