Dieses Buch ist ein Experiment. Es unternimmt den Versuch eine Geistesgeschichte der geistigen
Beeinträchtigung zu schreiben indem es die Debatten über den Wert behinderten Lebens
nachzeichnet wie sie in den letzten 150 Jahren geführt wurden. Abgrund dieser Epoche war ein
schier unvorstellbares Massenmordprojekt das eine komplexe Vorgeschichte hat und eine
erstaunlich lange Nachgeschichte. Die Eugenik zu verlernen hat sich in Deutschland als ein
außerordentlich zäher Prozess erwiesen der bis heute nicht abgeschlossen ist. Dagmar
Herzog schildert die immer wiederkehrenden Konflikte über die Deutung von Fakten und die daraus
zu ziehenden praktischen Konsequenzen. In diesen sowohl politisch als auch emotional hoch
aufgeladenen Auseinandersetzungen vermischten sich Konzepte aus Medizin und Pädagogik mit
religiös-theologischen Vorstellungen aber auch mit solchen über Arbeit und Sexualität
menschliche Verwundbarkeit und wechselseitige Abhängigkeit. Wie soll man über die
Mitbürger:innen mit den unterschiedlichsten kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen
Diagnosen denken und fühlen? Wie mit ihnen umgehen? Indem die Deutschen über diese Fragen
stritten rangen sie stets auch um ihr Selbstverständnis als Nation.