Der gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war
von christlich-religiösen Begründungs- und Rechtfertigungsmustern geprägt. In der
parlamentarischen Auseinandersetzung im Zeitraum 1945-1990 werden weitreichende
Paradigmenwechsel sichtbar. Am Anfang stand eine Affirmation der NS-Gesetzgebung die die
Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen erwachsenen Männern verschärft hatte am Ende
etablierten sich die Forderungen nach juristischer und gesellschaftlicher Gleichstellung. Für
den politisch-gesellschaftlichen Umgang mit Homosexualität spielten dabei
Verständigungsprozesse über Ausmaß und Inhalt der rechtlichen Regelung ebenso eine Rolle wie
Reform- und Liberalisierungsbewegungen innerhalb der christlichen Kirchen. Religion im
Parlament zeigt dass die parlamentarische Auseinandersetzung über männliche Homosexualität
keineswegs einem linearen Emanzipationsnarrativ folgte. Vielmehr konkurrierten alternative
Perspektiven die etwa im britischen Kontext auch noch in den 1980er Jahren reaktiviert wurden.
Darüber hinaus zeigt die Arbeit wie religiöse Bezüge hergestellt wurden wie sie sich
veränderten und welche Varianten und Widersprüche sich ausmachen lassen. Konfessionelle
Unterschiede kommen dabei ebenso zu Wort wie regionale Besonderheiten. Anhand dieses
Fallbeispiels zeigt die Studie auch wie um den Platz von Religion vor dem Hintergrund
religiöser Transformationsprozesse gerungen wird.