Auch 150 Jahre nach der Reichsgründung von 1871 werden die Weltmachtambitionen das
Demokratiedefizit und die Reformfähigkeit des ersten deutschen Nationalstaats nach wie vor
intensiv diskutiert. Die Geschichte der Gewalt im wilhelminischen Kaiserreich fand hingegen
bislang erstaunlich wenig Beachtung was vor allem an der retrospektiven Einordnung der Epoche
vor dem Ersten Weltkrieg als »Zeitalter der Sicherheit« (Stefan Zweig) liegt. Amerigo Carusos
Studie zeigt indessen dass die Erosion der Sicherheit ein wesentliches Merkmal dieser Epoche
war und wirft so neues Licht auf soziale Konflikte Protestbewegungen staatliche Repression
und Privatisierung von Gewalt in den letzten Jahren des Kaiserreichs. Im Fokus stehen dabei die
»reale« Bedrohung der wilhelminischen Ordnung durch Massenstreiks und demokratische
Partizipation einerseits und die Konstruktion von Unsicherheit andererseits wie sie in der
Kriminalisierung politischer Gegner in der Medialisierung von Gewalt in der Militarisierung
»loyaler« Bürger und in der Verbindung zwischen Antisozialismus und Radikalnationalismus ihren
Ausdruck fand. Mit einem Nachwort von Matteo Millan