Die NS-Strafjustiz und ihre Opfer sind für die Beurteilung der Rolle Österreichs in der Zeit
des Nationalsozialismus und für das Selbstverständnis der Österreicher bis heute von
erheblicher Relevanz. Die Instrumentalisierung des Widerstands und der Opfer und die
Ausblendung der österreichischen Mitwirkung an en NS-Verbrechen war lange Zeit kennzeichnend
für eine emotional geführten Diskussion um die Opferrolle Österreichs im Dritten Reich. Mit dem
Band NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945werden nun erstmals die Fakten
zu diesem Thema zur Diskussion gestellt die überlieferten Unterlagen aufgearbeitet und
quellenkritisch und wissenschaftlich analysiert.Der Großteil des deutschen und österreichischen
Widerstandes gegen das NS-Regime wurde von der Gestapo zerschlagen. Viele Regimekritiker wurden
von Gerichten abgeurteilt oder sofort ohne Verfahren in ein KZ eingeliefert. Die Unterlagen aus
mehreren tausend Prozessen - Akten Urteile Anklagen Protokolle und polizeiliche Unterlagen -
sind oft die einzige Quelle zur historischen Rekonstruktion der Geschehnisse. Die
Gerichtsdokumente geben einerseits Aufschluß über Umfang und das soziale Umfeld des
Widerstandes sowie über die Motive Ziele und Tätigkeiten einzelner Personen und Gruppen. Auf
der anderen Seite lassen sie aber auch Rückschlüsse auf die Justiz die Besetzung der Gerichte
Rechtsprechung politische Steuerung und ideologische Intentionen zu. Die Urteile Anklagen und
Einvernahmeprotokolle sowie die vielfach in den Gerichtsakten enthaltenen Gestapodokumente sind
die wichtigste Quelle für die Erforschung des Widerstands bzw. der nationalsozialistischen
Repressionsmaßnahmen.Der Band NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945wertet
systematisch das überlieferte Quellenmaterial zu allen Verfahren wegen Hochverrats
Landesverrats und Wehrkraftzersetzung vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten Wien
und Graz gegen insgesamt 6.300 Personen wissenschaftlich aus und vermittelt dabei Einblicke
sowohl in den österreichischen Widerstand und in die nonkonformen Handlungen der Bevölkerung
als auch in die Vorgehensweise des NS-Regimes bei der Instrumentalisierung des Strafrechts
gegen politisch Andersdenkende.Die in dem Band ausgewerteten Verfahrensakten sind für die
Mikrofiche-Edition Widerstand und Verfolgung in Österreich 1938-1945 außerdem vollständig
verfilmt worden.