Der Theologenstreit um die reine Liebe zog am Ende des 17. Jahrhunderts ganz Europa in seinen
Bann. Im Mittelpunkt standen die beiden Schriftsteller und Bischöfe François Fénelon und
Jacques B. Bossuet.Historisch ging Fénelon als Verlierer moralisch aber als Sieger aus dem
Streit hervor.Kann sich der Mensch übersteigen? Ist er zu reiner Liebe fähig? Oder muss und
kann Liebe nur als aufgeklärte sublimitierte Selbstliebe existieren? Fénelon vertritt die
Ansicht es gebe die uneigennützige bedingungslose (Gottes-)Liebe den amour pur. Fénelons
Position wird von der Kirche vom Papst und von Ludwig XIV. nach massiver Beeinflussung durch
Bossuet als »Schimäre« zurückgewiesen. Mit der Entscheidung ist aber das eigentliche Problem
nur verschoben nicht geklärt. Die reine Gottesliebe zurückzuweisen bedeutet eine bürgerliche
Anthropologie zu etablieren und die klassische Teleologie in Funktionalismus umzukehren:Nicht
mehr Selbsttranszendenz wie in der klassischen Philosophie sondern Selbsterhaltung und
Selbstbehauptung werden zum Paradigma der Neuzeit und der bürgerlichen Moderne.