Neben dem klassischen Theorie-Praxis-Antagonismus in der antiken Philosophie steht ein
spezifisch alttestamentlich-jüdisches und neutestamentlich-frühchristliches
Theorie-Praxis-Verständnis das Glaube und Liebe sowie Gnade und Tun perichoretisch miteinander
verbindet. Die erstmalige Hereinnahme der philosophischen Kategorien von Aktion und
Kontemplation in die biblische Welt bei Philon bedeutete keinen Bruch mit der
Theorie-Praxis-Einheit von Jahweglauben und Gesetzespraxis weil es Philon darum ging seine
bereits hellenisierten jüdischen Landsleute zur Torapraxis zurückzuführen. Als sich die
frühchristlichen Väter mit dem philosophischen Kontemplationsideal und der theoretischen
Ideologie der Gnosis auseinandersetzen mußten vermochten sie die biblisch-christliche
Theorie-Praxis-Einheit gegen eine praxisvergessene vita contemplativa zu behaupten.