Das heutige Wucherverbot der 138 II BGB 291 StGB ist das Ergebnis einer für das 19.
Jahrhundert exemplarischen Normenentwicklung. Dabei bildete die Zins-Wucher-Gesetzgebung den
wesentlichen Ausgangspunkt für die modernen Individualwucherbestimmungen. Vor allem jene
Gesetzgebung und deren Veränderung in diesem Jahrhundert zeigt beispielhaft wie sehr neue
wirtschaftspolitische Dogmen allgemeinwirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen und die
Legislative miteinander verknüpft waren. Gegenstand dieser entwicklungsgeschichtlichen
Betrachtung ist sowohl die Verdeutlichung der unmittelbaren Vorgeschichte des 138 II BGB als
auch die Darstellung jener engen Abhängigkeiten von rasanter wirtschaftlicher Entwicklung des
19. Jahrhunderts und sich dem anpassenden radikalen gesetzgeberischen Reaktionen. Zugleich wird
die Suche des Gesetzgebers nach einer normierten Schnittmenge zwischen ungezügeltem
Fortschrittsglauben und liberalistischer Ideologie einerseits und effektivem Schutz vor -
vornehmlich auf dem Land auftretender - wucherischer Ausbeutung andererseits beleuchtet.