Die Brüder vom gemeinsamen Leben halbklösterliche (semireligiose) Wohngemeinschaften von
Klerikern und Laien haben mit ihrem neuartigen und nicht unumstrittenen Projekt religiöser
Selbstvervollkommnung und Gruppentherapie das Profil der als 'Devotio moderna' bekannten
spätmittelalterlichen Reformbewegung wohl am markantesten geprägt. Diese Arbeit unternimmt
ausgehend von zahlreichen bislang unveröffentlichten Texten den Versuch die Gesamtheit der
Hausordnungen die für die Entstehung Organisation und Ausbreitung dieser Lebensform
maßgeblich waren als ein durch personelle Beziehungen gemeinsame Reformziele und
intertextuellen Austausch verbundenes Corpus zu rekonstruieren und sie in ihrer Formentypik und
Funktionalität zu erfassen. Die Fraterhaus-Consuetudines haben sich aus zunächst mündlich
vermittelten Lebensregeln ihrer Führungsgestalten gleichsam experimentell zu einer
eigenständigen Gattung entwickelt die mit ihrem Geltungsanspruch zwischen sozialer Kontrolle
und individueller Verantwortung charakteristisch ist für eine entscheidende Etappe in der
Evolution des modernen Bewußtseins.