Die Religion wurde von der kritischen Aufklärung als ein gesellschaftlicher Schonraum angesehen
ein Ort des Rückzugs von den gesellschaftlichen Konflikten in dem mit der Suggestion
allgemeiner Harmonie von ihrer Austragung und ihrer Reflexion abgelenkt wurde. Die
Religionswissenschaft hat gezeigt daß Religionen mehr sind. Sie sind selber aus
gesellschaftlichen Konflikten entstanden. In ihnen sind Lösungen historischer Konflikte
festgeschrieben worden. Weil diese Formulierungen zur Deutung der Realität im ganzen
verallgemeinert wurden waren sie als Konfliktlösung nicht mehr zu erkennen. Aber die
Möglichkeit sie als solche wiederzuerkennen konnte niemals ganz aus den Religionen vertrieben
werden. Sie zeigte sich nicht zuletzt an den Unstimmigkeiten und Rissen in ihrer Theorie. Diese
wurden in der Umbruchsituation des 18. Jahrhunderts als Argumente gegen die Religion - und für
die Säkularisierung gebraucht. Damit zerbrach die Einheit der religiösen Theorie. Ein neuer
Blick auf ihre historischen Ursprünge wurde möglich ebenso wie damit verbunden ein Blick auf
jene Motive im säkularen Bewußtsein die selbst aus der religiösen Überlieferung stammten.
Besonders die prophetischen Motive sind während des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem
institutionellen Zusammenhang in Kultur und Politik ausgewandert. Aber auch die Erbschaft der
archaischen Mutterkulte wurde im romantischen 19. Jahrhundert wieder erkennbar. Die in diesem
Band gesammelten Vorträge und Aufsätze bemühen sich um den Nachweis daß auch die gegenwärtigen
gesellschaftlichen Spannungen Enttäuschungen und Hoffnungen ohne Rückgriff auf das kritische
aber auch das Wunsch-Potential in den religiösen Überlieferungen nicht hinreichend zu verstehen
sind.