Bereits mit 34 Jahren veröffentlichte der Berliner Berufsschriftsteller und Journalist Karl
Gutzkow (1811-1879) seine «Gesammelten Werke». Er war damit in den Stand eines Klassikers
erhoben und ließ sich dies gut honorieren. Was sind die Gründe für Gutzkows erfolgreiche
Arrivierung? Immerhin war ihm nur wenige Jahre zuvor seitens der preußischen Behörden die
«frechste Verunglimpfung des Christenthums» vorgeworfen worden. Er galt als politisch
gefährlich. Ein Großteil seiner Schriften wurde verboten. Gemeinhin wird die Zensur in der
Selbstdarstellung der Autoren nur als Störfaktor unter dem Aspekt der politischen bzw.
ideologischen Gängelung gesehen. Auch für Gutzkow war der Kampf gegen die Zensur zweifellos von
Bedeutung. Aber bei der (gängigen) Annahme dass die Zensur nur als Hindernis bei der
Durchsetzung auf dem Literaturmarkt zu bewerten sei wird übersehen dass Gutzkow
beispielsweise 1835 mit seinem Roman Wally die Zweiflerin einen Skandal provozierte. Sein
Vergehen war dass er dem gelehrten Streit zwischen theologischem Rationalismus und
protestantischer Orthodoxie eine lebensnahe Praxis gab und diesen somit für ein ungelehrtes
Publikum interessant machte. Gutzkow setzte in seiner Strategie des Arrivierens das
Einschreiten der Obrigkeit und der Zensurbehörden als positiven Faktor voraus und machte sie
damit bewusst zum Mitspieler in seinem komplexen und gewagten Erfolgskalkül. Schließlich gab es
im Vormärz einen Markt für oppositionelle Literatur und entsprechend Verleger die Interesse an
solcher Ware hatten. Diese Verleger und die uneinheitliche Zensurpolitik in den Einzelstaaten
des Deutschen Bundes ermöglichten schließlich Gutzkows Erfolg. Sein Werk ist dabei
paradigmatisch für die Existenz eines auf sich gestellten modernen und selbstbewussten
Berufsschriftstellers anzusehen.